Streitbeilegungsverfahren nach UN-Zivilpakt und EMRK

Internationaler Gerichtshof, Den Haag

Artikel 44 des UN-Zivilpaktes bestimmt, dass seine Durchführungsbestimmungen die Vertragsstaaten nicht hindern, in Übereinstimmung mit den zwischen ihnen in Kraft befindlichen allgemeinen oder besonderen internationalen Übereinkünften, andere Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten anzuwenden.

Hier ist für die Bundesrepublik etwa das in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehene Rechtsschutzsystem relevant, das sich wesentlich von dem des Paktes unterscheidet.

In den Abschnitten II bis IV, Artikel 19-56 EMRK sind Organe vorgesehen, die durch bindende Entscheidungen die Einhaltung der von den Staaten übernommenen Verpflichtungen wirkungsvoll sichern.

Die gemäß Artikel 19 EMRK errichtete Europäische Kommission für Menschenrechte nimmt sowohl Staatenbeschwerden als auch Beschwerden von Einzelpersonen entgegen. Die Zuständigkeit der Europäischen Kommission für Menschenrechte für Staatenbeschwerden bedarf keiner besonderen Anerkennung; für Individualbeschwerden muß die Zuständigkeit besonders anerkannt werden. Die Bundesrepublik war einer der ersten Staaten, die diese Anerkennung erklärt haben. Es ist Aufgabe der Europäischen Kommission für Menschenrechte zu versuchen, eine gütliche Einigung herbeizuführen. Gelingt dies nicht, so enthält der Bericht der Kornmission nach Artikel 31 EMRK über die Sachverhaltsfeststellung hinaus eine Stellungnahme zu der Frage, ob der „beklagte“ Staat seine Verpflichtungen aus der Konvention verletzt hat.

Das Ministerkomitee des Europarats oder unter bestimmten Voraussetzungen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheiden sodann bindend, ob eine Konventionsverletzung vorliegt. Die Entscheidung kann gegebenenfalls Wiedergutmachungsmassnahmen bzw. eine Geldentschädigung vorsehen.

Bei diesem ausgewogenen und wirksamen Schutzsystem für Menschenrechte, das die EMRK bietet, bringt eine Unterwerfung unter das zusätzliche, anders geartete und schwächer ausgestaltete Kontrollverfahren des Paktes angesichts der weitgehenden Überschneidung der geschützten Rechtsbereiche eine besondere Problematik mit sich. In diesen Zusammenhang gehört Artikel 62 EMRK, in dem die Vertragsparteien übereingekommen sind, daß sie — es sei denn auf Grund besonderer Vereinbarungen — keinen Gebrauch von zwischen ihnen geltenden Verträgen, Übereinkommen und Erklärungen machen werden, um von sich aus einen Streit um die Auslegung oder Anwendung der EMRK einem anderen Verfahren zu unterwerfen, als in der Konvention vorgesehen ist. Die Tragweite dieses Artikels ist noch nicht abschließend geklärt. Das Ministerkomitee des Europarats hat zu dieser Frage nach eingehender Prüfung eine Resolution gefasst [Resolution (70) 17 vom 15. Mai 1970], dass Vertragsstaaten der EMRK, die den Pakt in Kraft setzen und die Unterwerfungserklärung nach Artikel 41 des Paktes abgeben, bei Staatenbeschwerden, die von beiden Übereinkommen geschützte Rechte betreffen, untereinander üblicherweise nur das Verfahren der EMRK anwenden sollten. Das Kontrollverfahren des Paktes kann auf Rechte, die von der EMRK nicht umfasst werden, sowie im Verhältnis zu Staaten, die nicht der EMRK angehören, angewendet werden. Hierbei hat das Ministerkomitee neben Artikel 44 des Paktes und Artikel 62 EMRK auf Artikel 33 der Charta der Vereinten Nationen hingewiesen, der die Bedeutung der regionalen Beilegung von Streitigkeiten unterstreicht.

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